Plinio Corrêa de Oliveira

 

 

„Adveniat Regnum tuum“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Wenn in allen Epochen der Geschichte der Christenheit das Weihnachtsfest eine freudige und ruhige Lichtung im normalen und arbeitsamen Lauf des täglichen Lebens aufschlägt, so hat die weihnachtliche Ruhe in unserer Zeit eine besondere Bedeutung, denn sie steht für ein großes und universelles „sursum corda“, das einer stürmischen und leidenden Menschheit zugerufen wird, die schleunigst in den Chaos einer vollständigen sittlichen und gesellschaftlichen Auflösung versinkt. 

Unser Zeitalter kommt einem dunklen Tal zwischen zwei Gipfeln gleich: Die vergangene Zivilisation, von der wir abgefallen sind durch aufeinander folgende Katastrophen, die mit der Reformation begonnen haben und in den Links- und Rechtstotalitarismen ihren Höhepunkt erreichten, und die künftige Zivilisation, der wir entgegen schreiten mit Kämpfen und Verdrießlichkeiten, die kontinuierlich unseren Weg mit Kreuzen säumen.

Gerade weil wir die letzten Minuten einer Welt erleben, die im Sterben liegt, und die Vorboten einer neuen Welt, die im Kommen ist, hat die Botschaft von Weihnachten für uns eine besonders tiefe Bedeutung, die wir heute betrachten wollen.

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In einem anderen Teil unserer heutigen Ausgabe bringen wir eine Zusammenfassung der Wünsche, die die vorchristliche Menschheit hegte in der Erwartung eines Erlösers. Das auserwählte Volk erwartete diese Erlösung durch einen Messias, der aus dem Stamme Davids geboren werden sollte, gemäß einem wahren und unleugbaren göttlichen Versprechen. Alle anderen Völker der Erde, wenn sie auch nicht die göttlichen Botschaften durch die Propheten bekommen haben, behielten aber doch die Erinnerung des Versprechens für das Kommen eines Erlösers, das Gott Adam und Eva gemacht hatte, als sie aus dem Paradies vertrieben wurden. Deshalb bewahrten sie auch, mal mehr mal weniger genau, die überlieferte Hoffnung, dass ein Erlöser die leidende und sündige Menschheit erneuern würde.

Diese Hoffnung erreichte ihren Höhepunkt zu der Zeit als Jesus geboren wurde. Wie ein bekannter Historiker sagte, fühlte sich die ganze Menschheit alt und verbraucht. Die angewandten politischen und gesellschaftlichen Formeln entsprachen schon nicht mehr den Wünschen und der Sichtweise der Menschen dieser Zeit. Ein großer Wunsch nach Reformen durchschüttelte viele Völker. Der Klassenkampf kochte seit nicht langer Zeit in Griechenland, in Italien, in Phönizien und anderen Ländern mehr. Die politische Organisation nahm mehr und mehr die Züge eines Unterdrückungsapparats an. Rom hatte die Grenzen seines Reiches über die ganze Welt ausgedehnt und die Ewige Stadt war damals nicht die Königin  sondern die Tyrannin der ganzen Menschheit geworden, der sie mit den ungerechtesten Abgaben nötigte, um die Orgien der römischen Patrizier zu unterhalten. In allen Ländern war der Kontrast zwischen Reichtum und Elend offensichtlich. Einerseits lebten die Reichsten in einem ungezügelten Prunk und Luxus. Andererseits bevölkerten die zahllosen Arbeitslosen viele Stadtteile der Großstädte mit verheerenden Folgen. Letztlich, als düsterer Hintergrund dieses Bildes,  waren da die Millionen von Sklaven, die, angekettet in Schiffskellern oder wie Zugtiere an Transportwagen und Pflügen angespannt, unter der Gewalt einer Unterdrückung stöhnten, die kein Ende zu haben schien. Ein maßloser korrupter Sittenverfall breitete sich über das ganze Reich aus und zog alle politischen Institutionen in den Ruin. In den Reihen der hohen Aristokratie vermehrten sich die Skandale, die sich dann über alle Schichten der Gesellschaft erstreckten. Kaiser Augustus versuchte umsonst gegen diesen zunehmenden Verfall anzugehen. Die von ihm erlassenen reaktionären Gesetze zeigten keine Wirkung. Die widernatürlichsten Abartigkeiten vermehrten sich im Schoße seiner eigenen Familie. Die ganze Welt spürte, dass eine unausweichliche, tiefe Krise die Gesellschaft in einen unvermeidlichen Zusammenbruch führen würde.

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Als die Welt in diesem Zustand weilte und Staatsmänner und Sittenlehrer ernsthaft über so viele und unlösbare Probleme diskutierten, erstrahlte mitten in einer finsteren Nacht in einem Stall zu Bethlehem die Rettung der Welt. Es kann sein, dass im gleichen Moment, in dem der Erlöser geboren wurde, der hochmütige römische Kaiser in seinem Palast dem bitteren Grübeln über den kläglichen Ausgang seiner moralisierenden Politik ausgeliefert war. Es kann sein, dass in der nahen Umgebung des kaiserlichen Palastes bis tief in die Nacht einige dieser wüsten Orgien abliefen, die für den obligatorischen Tratsch der nächsten Tage häufige Nahrung lieferte. Weder die einen noch die anderen, weder der geniale Kaiser noch die Sibariten, die die Gesellschaft korrumpierten, hatten eine Ahnung, was in diesem Moment in Bethlehem geschah.

Doch es war nicht im Kaiserpalast, nicht in den aristokratischen Orgien, nicht in den Verschwörertreffen, wo sich das Schicksal der Welt entschied. Die Gesellschaft der Zukunft, die aus der vollkommenen und vollständigen Lösung der lebenswichtigsten Probleme der damaligen Zeit hervorging, wurde in Bethlehem geboren. Die Welt empfing aus den jungfräulichen Händen Mariens den Messias, der durch sein Blut die Welt erlösen und sie mit seinem Evangelium neu organisieren würde.

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Welche vorrangige Lehre können wir hieraus ziehen?

So wie für die Menschheit in der Zeit des Augustus die Lösung der verstricktesten sozialen und politischen Probleme nicht gefunden wurde als nur in Christus allein, so müssen wir in unsere Zeit nur in die katholischen Kirche, den mystischen Leib Unseres Herrn Jesus Christus, unsere Hoffnungen setzen.

Es kann sein, dass in der unbewussten Nachahmung der Vigil des Augustus am Heiligen Abend viele moderne „Kaiser“ (welch ein Unterschied zwischen dem Format des authentischen Augustus und seiner modernen Faksimiles!) diesen Heiligen Abend gebeugt über ihrem Arbeitstisch grübelnd verbrachten, um Mittel zu finden, um ihr leidendes Land aus der Klemme der Krise zu holen, gleichgültig gegenüber der Frömmigkeit der Massen, die in den Kirchen beteten. Es kann sein, dass in dieser selben Nacht ausschweifende Orgien in vielen Palästen (nicht mehr die Paläste der römischen Aristokratie, sondern moderne „dancings“, Paläste, die die moderne Welt zu Ehren ihrer eigenen Korruption errichtet) in die Stille der Nacht den Klang der profanen Musik des „Revéillon“ hinausdröhnen. Es kann sein, dass etliche Verschwörer in der Stille der Nacht eine Revolution oder ein Krieg aushecken, während das Volk die Geburt des Friedensfürsten feiert.

Trotz alledem wird die Erlösung nicht von den neuen Kaisern, von den Verschwörern unserer Tage und noch weniger von der Gesellschaft, die sich in den „dancings“ verdirbt, kommen. Als Katholiken müssen wir die Erlösung, die Rettung, nur von dem erwarten, der heute Christus auf Erden vertritt. Es ist auf Pius XI. und nur auf ihn auf dieser Erde, auf den wir unseren Blick richten müssen.

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Es gibt aber noch eine weitere Überlegung von höchster Zweckmäßigkeit. Alle Theologen sind sich einig, dass die Erlösung der Welt in der damaligen Zeit erstrahlte, nur durch die allmächtigen Bitten der Jungfrau Maria; Sie erreichte die Vorwegnahme der Geburt des Messias. Niemand kann sagen, wie viel Jahre oder Jahrhunderte die Erlösung noch auf sich hätte warten lassen, ohne die Fürbitten Mariens.

Die Neuordnung der Welt kam nicht von denen, die zur Zeit des Augustus auf den öffentlichen Plätzen oder in politischen Kreisen gegeneinander aufwiegelten. Die Neuordnung kam durch die demütigen Gebete der Jungfrau Maria, völlig unerkannt von ihren Zeitgenossen, in einem Leben der Betrachtung und der Einsamkeit in dem kleinen Ort, wo sie durch göttliche Fügung geboren wurde.

Ohne das aktive Leben herabsetzen zu wollen, muss man doch hervorheben, dass durch das Gebet und die Betrachtung der Zeitpunkt der Erlösung vorweggenommen wurde. Und was der Genius des Augustus, die Klugheit aller großen Politiker, aller großen Generäle, Finanzexperten und Verwalter seinerzeit der Welt nicht geben konnten, bewirkte Gott durch die Heiligste Jungfrau. Nicht diejenigen, die am meisten studiert hatten, die am meisten aktiv waren, konnten der Welt diese Wohltat erweisen, sondern die, die am meisten und am innisgten gebetet hat.

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Wenn die heutige Welt sich aus dem Chaos befreien will, muss sie sich zuallererst der Kirche zuwenden.

Es ist mit einer milden und doch strengen Lektion, mit der wir diese kurze Weihnachtsbetrachtung beenden.

Es wird vor allem von den Kämpfern der Katholischen Aktion und den auserwählten Seelen, die Gott im priesterlichen oder religiösen Stand zu einem aktiven oder einem Leben des Gebets berufen hat, auf menschlicher Ebene abhängen, ob die Einrichtung der sozialen Herrschaft Unseres Herrn Jesus Christus vorweggenommen oder verzögert wird.

Was wir als Laien, die wir für die Kirche kämpfen, im Bewusstsein der Größe dieser Aufgabe tun müssen, ist, an der Krippe des Christkindes ein Gebet sprechen:

„Domine, adveniat regnum tuum“.

„Herr, es komme Dein Reich“, dass wir es in uns verwirklichen, um es dann, mit Deiner Hilfe auch um uns verwirklichen. 

(*) Plinio Corrêa de Oliveira zum 100. Geburtstag. Freie Übersetzung des Originals, das im „Legionário“, Nr. 328, 25.12.1938 erschienen ist.


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